[Story-Samstag] Der erste Satz

Hallo meine kleinen Schafe aus der Netzherde des Datenstroms,

habt ihr schon die vielfältig ausgefallenen Beiträge zum Thema Ehe gelesen?

Angeblich ist es immer am schwersten, überhaupt mit dem Schreiben anzufangen. Die Angst vor dem weißen Blatt Papier hindert meist am Start. Wenn man aber erstmal ein paar Sätze formuliert hat, läuft der Rest oftmals ganz von selbst. Deswegen möchte ich euch heute eine kleine Schreibhilfe in Form eines ersten Satzes schenken. Schreibt mir also einen kleinen Beitrag, der folgendermaßen beginnt:

Vom Geld war nichts mehr übrig.

Wie immer könnt ihr euch frei entfalten. Eventuell war ja jemand beim Shoppen unterwegs? Oder ein Bankräuber entdeckt, dass ihn seine Komplizen aufs Korn genommen haben? Gern darf es auch ein Lamento zur Lage der Weltwirtschaft sein. Oder ein Gedicht wie folgendes vielleicht?

Vom Geld war nichts mehr übrig

gestand Kalle Dietrich.

„Dann gehn wir halt zu mir.

Dort steht noch Sternburg Bier.“


 

Vom Geld war nichts mehr übrig. Nur dieser eine Euro war ihm geblieben. Er saß vor dem Spielautomaten und überlegte, alles auf eine Karte zu setzen und auch diesen letzten Euro noch in den einarmigen Banditen zu stecken. Eventuell würde ja dieser letzte Euro sein Glücksbringer sein, der seine Pechsträhne an diesem Abend beendete. Phil wusste, dass er eigentlich gar keine Wahl hatte, als diese letzte Münze jetzt noch einzuwerfen. Ein innerer Drang zwang ihn dazu und hätte ihm gar nicht gestattet, jetzt einfach so aufzustehen und zu gehen. Im Gegenteil: seine Augen wanderten ständig zu seiner Armbanduhr und dem Gedanken, für wie viel er sie wohl verhökern könnte, um noch ein wenig weiter zu machen und endlich den großen Gewinn abzusahnen. Er wusste, er war ganz nah dran. Nur noch ein paar Minuten, und der Automat würde endlich den großen Jackpot ausspucken.

Er wusste, er musste aufpassen wenn er sich in der Spielhalle austobte, ausfreute, auslitt. Wenn sich das ganze innere Auf und Ab dort abspielt und nichts mehr übrig bleibt für das – nun ja – das richtige Leben, das er auch noch hatte.

Er wusste, er war süchtig. Zumindest diese Epiphanie hatte er schon gehabt, als er eines Tages seinen Fernseher versetzte, um wieder an Geld zu kommen. Er hatte sich sogar genaustens informiert, als er seine Krankheit – diesen gierigen Krebs nach Gewinn – an sich selbst diagnostizierte.

Eine Sucht ist komplizierter, als viele Menschen glauben. „Hör doch einfach auf“, ist der häufig genannte Rat. Doch so einfach ist das nicht, denn es spielt nicht nur die eigene Selbstdisziplin eine Rolle. Der Körper ist hier ein hinterhältiger Verräter, wenn er bei jedem Sieg Dopamin ausschüttet. Das Dopamin sorgt für sein High, für sein Wohlgefühl beim Spiel. Es ist nicht das Spiel, sondern das Dopamin, nach dem er süchtig ist.

Der allererste Gewinn war sein höchstes High gewesen. Er erinnerte sich noch daran, wie er eher nur halbherzig an genau diesem Automaten gesessen hatte, als plötzlich ein Schwall an Münzen in Begleitung dieses nicht enden wollenden Klimperns aus dem Gerät fielen. Dieser Klang, wie all diese kleinen Geldstücke aufeinander stießen und dieses Klackedi-klirr-klirr-kling erzeugten. Eine nicht enden wollende Perkussionseinlage in der Symphonie des Gewinns. Noch nie hatte er etwas so schönes gehört. Das Hochgefühl, dass ihn dabei begleitete, war nie wieder in diesem Maße zu ihm zurück gekehrt. Ständig versuchte er nun abends, diesen Rausch wieder zubekommen. Doch alles was blieb war der Automat, der ihn verhöhnte. Diese Äpfel, Zitronen und Siebenen, die immer ganz knapp am großen Gewinn vorbei rollten.

Etwas apathisch starrte er mit diesen Gedanken auf besagten letzten Euro.

„Gehts dir gut?“, fragte die kleine Brünette neben ihm am Nachbarautomaten. Sie hatte einen kleinen Becher mit Kleingeld in der Hand und sah ihn mit großen besorgten Augen durch ihre Brille hindurch an. Kurz musste er blinzeln. Oftmals saß sie direkt neben ihm, an diesem Automaten. Doch noch nie war einer von ihnen auf die Idee gekommen, miteinander zu reden. Nochmals sah er auf seinen letzten Euro hinunter, als in ihm ein spontaner Gedanke wuchs. Er hob die Münze demonstrativ in Augenhöhe.

„Mein letzter Euro. Rein statistisch gesehen weiß ich eigentlich, dass der Automat ihn für diesen Abend nur unwiederbringlich verschlingen wird. Ich investiere Ihn vermutlich in eine sinnlose Unwahrscheinlichkeit. Nahezu sicher ist jedoch, dass ich dir für diesen Euro im McDonalds um die Ecke einen Kaffee spendieren kann. Was sagst du?“

Sie sah ihn kritisch an und blickte dann abwägend in ihren Münzbecher.

„Okay. Aber ich übernehm den McSundae dazu.“

Er wusste es auf dem Weg zum Macdonalds mit dieser jungen Dame namens Melanie noch nicht, doch dieser Euro würde ihm den besten und größten Gewinn seit langem bescheren.


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